Zufall

 

Das mit dem Zufall hat mich jetzt nicht mehr los gelassen.

Schließlich beschäftigt er mich schon mindestens fünfundvierzig Jahre, in denen ich mit Menschen konfrontiert wurde, die meinten alles sei Zufall, mit anderen, die dies dann abgeschwächter formulierten wie: alles sei relativ, und jenen DeterministInnen, die fest und steif behaupteten, es gäbe keine Zufälle.

Ich war aber nie so gemein, wirklich nachzuforschen, ob Erstere konsequenterweise auch ganz frei von geliebten Gewohnheiten wären, oder Letztere den Zufall nie als Ausrede benützten oder gar das Vokabel „zufällig“ völlig aus ihrem Sprachgebrauch verbannt hätten, wo doch dieser kleine Zusatz zu einer Geschichte ganze Kaskaden komplexer Zusammenhänge recht einfach erklärt, also sehr hilfreich bei Erklärungsnotstand ist.

Beides scheint mir äußerst kompliziert zu sein: Ein Lebensstil, der dem Zufälligen den Vorrang vor der Ordnung gibt genau so, wie der völlige Verzicht auf die Zufälle des Seins. Als Erklärungsmodelle für die persönliche Existenz oder andere Zusammenhänge des Lebens genügen die Extremstandpunkte wohl auch nicht.

Weil praktisch ist er schon, der Zufall. So praktisch, dass ich ihn mir schon öfters als Zufallsgenerator programmiert habe – wieder ein Widerspruch in sich: der Zufall als Programm. Sogar Excel bietet einen solchen Generator als Funktion an und wie lieben wir den Würfel im Spiel. Manchmal braucht man eben das Zufällige. Oft sogar das Ungenaue, wie in der Fuzzylogik, in der gerade die Unschärfe im Fokus steht, weil sonst ja zum Beispiel Computer nie Auto fahren könnten, was Einiges über den Menschen aussagt, weil wir ja gerade bei dieser Tätigkeit besonders nüchtern und aufmerksam sein müssen. Um dies einigermaßen zu schaffen, erlegen wir uns sogar Strafdrohungen auf. Das zeigt wiederum, dass uns die Unschärfe näher zu liegen scheint als die Präzision. Wenn der Zufall also für mich persönlich notwendig ist, warum sollte er das nicht auch in größeren Zusammenhängen sein?

Also habe ich mir über die Jahre den Gedanken zurechtgelegt, dass neben der Tatsache, dass ich natürlich nicht alle Zusammenhänge verstehe, die Zufälle als Maschinen in die Schöpfung eingebaut wären, so wie meine kleinen Zufallsgeneratoren, wodurch ich durch einen wunderbaren Streich den Widerspruch der Meinungen durch einen Widerspruch an sich aufgelöst hatte und nun mit allen Streitsuchenden in Frieden leben konnte – zumindest solange ich still damit zufrieden war und mich aus den Diskussionen heraushielt, was sich grundsätzlich empfiehlt, wenn DiskutantInnen einer felsenfesten Überzeugung über das Ungewisse frönen.

Nachdem der Zufall aber seine tragende Rolle in einer unserer wichtigsten modernen Philosophien verloren zu haben scheint*, entspannt sich die Situation vielleicht und die KontrahentInnen können von sich aus wieder in Farbschattierungen zu denken beginnen, Unschärfe zuzulassen, um Determination und Zufall wieder näher aneinander rücken zu können.

 

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